Der Trugschluss: Projektsteuerung verteuert das Projekt
Projektsteuerung = Zusatzkosten?
Eine Projektsteuerung erzeugt unnötigen Kosten. Stimmt das? Wozu braucht man überhaupt einen Projektsteuerer? Das Bauprojekt ist doch sowieso schon teuer genug. Und außerdem wird die Aufgabe doch bestimmt durch das Architekturbüro erledigt. Diese oder ähnliche Fragestellungen musste jeder schon mal, der oder die im Projektmanagement von Bauprojekten tätig ist, über sich ergehen lassen. Mal abgesehen davon, dass die Aufgaben von Projektsteuerung und Planungsbüros inhaltlich überhaupt nicht vergleichbar sind (siehe Beitrag "Aufgaben des Projektmanagements, der Projektleitung und der Projektsteuerung"), wird in diesem Beitrag die Frage der Kosten der Projektsteuerung näher betrachtet. Insbesondere die Hauptfrage, verteuert eine Projektsteuerung das Projekt?
Kein Projekt ohne Projektmanagement
Es ist eigentlich klar, dass kein Projekt – und erst recht kein komplexes Projekt – ohne ein professionelles Projektmanagement auskommt. Das ist zwingend und niemand stellt es in Frage. Im Beitrag “Aufgaben des Projektmanagements, der Projektleitung und der Projektsteuerung” sind wir bereits auf die Besonderheit eingegangen, dass Projektsteuerung nach deutscher Definition nichts anderes ist als die Delegierung eines Teils der Aufgaben, die die Projektleitung des investitionswilligen Unternehmens selber leisten müsste, an eine externe Projektsteuerung. Beide, Projektleitung (intern) und Projektsteuerung (extern), arbeiten also zusammen das gleiche Aufgabenpaket ab – ohne dass dieses durch die Aufteilung mehr oder weniger wird. Diese Aufteilung findet aus rein praktischen Erwägungen statt. Die interne Projektleitung ist oft ein leitendes Mitglied der Geschäftsleitung und hat nicht wirklich die personellen und fachlichen Kapazitäten, ein komplexes Bauprojekt nebenbei zu leiten. Deswegen bedient man sich eines externen Dienstleisters für diese Aufgabe.
Woher kommt aber nun die Annahme, dass das Projekt dadurch teurer wird? - Das liegt ganz oft an der Kostenzuordnung. Interne Managementaufwände „verschwinden“ in den allgemeinen Geschäftskosten. Sie werden nur selten dem Projektbudget zugeordnet. Beauftragt man eine externe Projektsteuerung, dann werden diese Kosten im Baubudget geführt und damit sichtbar.
Der Fluch der ersten Zahl oder das unvollständige Controlling
Man hört es immer wieder. „Die Kosten des Bauprojekts eskalieren“. Auch die Termine.
Das investitionswillige Unternehmen denkt mit Projektstart sofort an den Architekten und nötigt diesen eine erste Schätzung abzugeben. Nichts brennt sich tiefer ein als diese Zahl.
Ist diese Zahl belastbar? - NEIN, in 90 % der Fälle ist sie das nicht. Das liegt nicht am fehlenden Einschätzungsvermögen des Architektur- oder TGA-Planungsbüros. Die Schätzung basiert auf dem, was zum Zeitpunkt X bekannt ist und das Wissen wird maßgeblich durch den bis dahin bekannten Scope der Planungsaufgabe geprägt. Der Budgetrahmen eines Projekts muss aber viel weiter gespannt werden, als es die Bau- und damit die Planungsaufgabe vorgibt.
Die erfahrene Projektsteuerung wird am Anfang den Projektstand genau analysieren und insbesondere einschätzen, wie belastbar die Spezifikation des Unternehmens für die Planungsaufgabe des Planerteams ist. In den meisten Fällen ist diese Belastbarkeit nicht gegeben. Und ganz oft werden nach der Analyse des Projektes die Hausaufgaben zunächst mal an den Auftraggeber zurückgegeben. Da sind dann auch Themen dabei, an die die bis dahin unerfahrene Bauherrenschaft überhaupt nicht auf dem Radar hatte (z.B. das Erstellen der Gefährdungsanalysen für neuen Produktionsschritte). Zusammengefasst: Es müssen erst die Ergebnisse der Hausaufgaben vorliegen, bis man in der Lage ist, eine erste Schätzung der Projektkosten abzugeben.
Auch wenn man es nicht gern hört, es dauert eine Weile, bis ein inhaltlich vollständiges Projekt-Controlling aufgebaut werden kann. Das betrifft die Analyse aller Kostengruppen, angefangen von den Grundstücks- und Erschließungsthemen über die eigentlichen Bauleistungen bis hin zu Ausstattungsthemen. Zum letzten Thema muss der Bauherr im Detail befinden, welches Prozessequipment Teil des Projektbudgets werden soll.
Die Projektsteuerung wird die Themen systematisch durchgehen und je nach Ergebnis Schätzzahlen aus Erfahrungswerten generieren, die dann aber eine belastbare Zahl darstellen. Nur auf diesem Weg kann das Projekt mit vollständigen Erwartungskosten versehen werden.
Ein Praxisbeispiel: Der falsche Ablauf
Die Vision des Unternehmens steht. Ein Planungsbüro wird beauftragt und los geht es. Das Planungsbüro bemüht sich im Zuge der HOAI-Leistungsphasen 1 und 2 die Grundlagen einzusammeln und Vorentwürfe zu generieren. Aber es stößt auf Einwände in Form von unbeantworteten Fragen. Der Bauherr möchte die Fragen beantworten, kann es aber nicht.
Warum? Er hat vergessen, sich mit den Zukunftsthemen des Unternehmens intensiv genug auseinanderzusetzen. Eine Vision ist noch lange keine Planeranforderung. Der gesamte Prozess- und Workflow muss vor der Investitionsentscheidung auf Zukunftstauglichkeit verifiziert werden. Wie verändern sich die technologischen Abläufe in den nächsten 20 Jahren? Welche Flächen- und Personalanforderungen sind die Konsequenz? Welche Anforderungen an die Versorgungsmedien entstehen dadurch? Welche IT-Struktur bzw. IT-Versorgungssicherheit muss künftig garantiert werden? Usw.
Alles das muss die Planungsmannschaft wissen, bevor sie anfängt. Eigentlich ist das sonnenklar. Trotzdem finden die Abläufe bei mehr als 50 % der Projekte nicht in dieser Reihenfolge statt. Die Phase vor dem Planungsbeginn verkümmert zur Null-Lösung. Das Problem: All diese unachtsam beiseitegeschobenen Fragen werden im Laufe des Projekts wieder hochkommen. Beschäftigt sich der Bauherr erst in die Planungsphase mit der Antwortfindung, verzögert sich das Projekt im schlimmsten Fall und wird allein deswegen teurer.
Die erfahrene Projektsteuerung wird mit Nachdruck die Bauherrenschaft auf die Erledigung der eigenen Hausaufgaben drängen; konkret: um belastbare Planungsanforderungen zu schaffen. Die Belastbarkeit der Planungsanforderungen ist essenziell für einen reibungsarmen Planungsablauf.
Im Klartext, eine professionelle externe Projektsteuerung wird geradezu verhindern, dass kosten- und zeitintensive Verzögerungen eintreten. Ihr Einsatz vermeidet unnötige Kosten wegen eines falsch gewählten Ablaufes.
Fazit
Es sind nur drei ausgewählte Gedanken und Zusammenhänge, die aus unserer Sicht bereits durch ihre Schlüssigkeit überzeugen, dass es sich um einen Trugschluss handelt zu behaupten, dass die Projektsteuerung das Projekt verteuern würde:
- Die Projektsteuerung übernimmt als externer Berater die Aufgaben, die sowieso durch die Projektleitung hätten übernommen werden müssen. Zugegeben, sie wird dabei Aufgabenthemen ansprechen, an die niemand gedacht hat, die aber zwingend bearbeitet werden müssen.
- Die Projektsteuerung wird massiv auf Kostensicherheit hinarbeiten. Bei sauberer Projektsteuerungsarbeit können Projekte im Kosten—und Terminrahmen abgearbeitet werden.
- Die Projektsteuerung wird geradezu verhindern, dass unnötige Kosten entstehen.
Nur mit diesen wenigen Argumenten müsste schnell klar sein, dass die Projektsteuerung gut angelegtes Geld ist.