
Kann das fehlende Projektsetup des Auftraggebers zum Projektrisiko werden?
Die Eigendynamik zwischen Dienstleister und Bauherr
Wahre Leidenschaft wird entwickelt, wenn es im Zuge eines komplexen Projektes gilt, die Verträge mit Erfüllungsgehilfen und Firmen zu verhandeln. Die gestellten Ansprüche an das Planerteam – erst recht an die Firmen – sind in der Regel sehr hoch. Schließlich steht man als Bauherr für ein Projekt, welches in der qualitativen Ausgestaltung seines gleichen sucht. Der Druck ist hoch, die Aufgabe kompetent zu managen. Dies schlägt sich dann meist in den hohen Erwartung und definierten Anforderungen an das Realisierungsteam nieder.
So weit so gut. Diese Ansprüche sind in Ordnung. Sie stellen einen Grundpfeiler für eine hochqualitative Projektabwicklung dar. Doch drehen wir jetzt den Spieß mal um und schauen auf die Ansprüche des Auftraggebers an den Auftraggeber; also an sich selbst. Plötzlich stellt man ein deutlich gefallenes Anspruchsniveau fest. Ansprüche an Inhalte, Qualität und insbesondere Termineinhaltung sind plötzlich gar nicht mehr prominent erkennbar. Sie werden zur Nebensache. Der hohe Anspruch an den Dienstleister wird intern nicht an derselben Skala bemessen. „Der Kunde ist König.“ – eine Geisteshaltung, die früher oft propagiert wurde, die aber im Baumanagement eine ungleiche Dynamik erzeugt.
Zugegeben, etwas überspitzt formuliert. Aber ähnliche Herangehensweisen kennen Dienstleister aller Branchen zur Genüge.
Das Projektmanagement Setup auf Bauherren-Seite
Gerade in der Phase der Projektvorbereitung gibt es zwei wesentliche Themen, die auf Bauherrnseite (Auftraggeberseite) sichergestellt werden müssen: Zum einen ist es die Erarbeitung der Spezifikation für das Planerteam, also die Nutzerbedarfsanalyse - über Inhalt und Wichtigkeit haben wir in diesem Blockbeitrag schon berichtet. Zum anderen ist es das organisatorische Set-up, um überhaupt ein solches Projekt realisieren zu können. Es macht keinen großen Sinn, die Planer und später auch die Ausführungsfirmen in enge Termine zu verpflichten, wenn an die eigenen Leistungen (in den meisten Fällen sind es notwendige Vorleistungen) nicht der gleiche Anspruch besteht. So entsteht nicht selten die Situation, dass der Auftraggeber selbst zum terminlichen Hemmschuh wird. Themen der Set-up-Phase sind:
- Schaffung einer Projektorganisation mit klarer Aufgabenzuordnung und Festlegung der Entscheidungskompetenzen
- Generierung notwendiger Ablaufstrukturen für Beschaffungen von Leistungen (Planer, Sachverständige, Ausführungsfirmen)
- Verstärkung im juristischen Bereich, wenn die vorhandenden Abteilungen keine ausreichenden Kenntnisse in der Abwicklung von baurelevanten Werkverträgen besitzen
- Budgetfreigaben
- Ablaufstrukturen für Dokumentenablage, Dokumentenfreigaben usw.
- Ablaufstrukturen für Controlling und Reporting
Es ist ein Trugschluss, dass mit der Etablierung eines Planerteams um den Architekten diese Aufgaben delegiert wurden. Sie bleiben Aufgabe des Bauherrn. Wenn sie delegiert werden, dann an eine Projektsteuerung, deren Aufgabe es ist, den Bauherrn in all diesen organisatorischen Themen zu unterstützen. Der Aufwand zur Erledigung dieser Themen wird regelmäßig unterschätzt oder auch verdrängt (siehe Blogbeitrag "Das Verdrängungsphänomen").
Wenn ein Projekt unter dem Termindruck schnell beginnen muss, dann ist es ausgesprochen kontraproduktiv, wenn das Planerteam monatelang auf der Basis einer mündlich zugesicherten Beauftragung arbeitet und noch keine Vergütung bekommt; meistens, weil die organisatorischen Regeln des Beschaffungsbereiches noch nicht alle durchlaufen wurden. Man erkennt das Anspruchsdefizit: Das Planerteam muss sofort richtig Leistung bringen. Aber der Einkauf lässt sich Zeit, da noch mindestens zwei „Häckchen“ im SAP-Workflow fehlen.
Ähnliche Vorgänge trifft man auch bei den Rechnungsabwicklungen. Bis die Buchhaltungen so eingenordet wurde, dass sie richtig mit den Rechnungen der baurelevanten Vertragspartner unter Beachtung des geltenden Werkvertragsrechtes umgehen kann, dauert es. Nicht selten laufen die ersten Rechnungen in einen deutlichen Zahlungsverzug. Dies nicht aus Vorsatz, sondern weil zum einen die Kapazitäten für den oft zusätzlichen Arbeitsaufwand fehlen oder das Wissen im Umgang mit baurelevanten Vertragsdokumenten nicht vorhanden ist. Die erste Rechnung kann nicht bezahlt werden, weil der Lieferant noch nicht angelegt wurde. Das dauert mit allen Abfragen in der Regel Wochen. Der gleiche Einkauf hat aber den Lieferanten in enge Termine verhandelt. Das erste Dilemma nimmt seinen Lauf und bringt Frustration und Verzögerung mit sich.
Warum das Setup so wichtig ist:
Der Bauherr muss sich organisatorisch finden. Ungewohnte Aufgaben mit erheblichem Aufwand kommen neben seiner normalen Tätigkeit auf ihn zu. In dieser Phase, wo viele fachliche und administrative Aufgaben noch nicht verantwortungsvoll zugeordnet wurden, gilt es die ersten Budgetfreigaben zu tätigen, damit die ersten Prozesse, ob nun der Nutzerbedarfsanalyse oder schon der Planung zugeordnet, finanziell abgesichert sind. Es wird sonst problematisch, wenn diese auf sich warten lassen, aber das Planungsteam aufgrund des engen Terminplanes schon auf guten Glauben mit der Leistungserfüllung begonnen hat.
Oft wird für die Ausführungsunternehmen eine Vorauszahlung verhandelt. Diese hat den Zweck, zum Beispiel Materialeinkäufe zu finanzieren, obwohl noch keine Leistung auf der Baustelle stattgefunden hat. Die Summe wird durch Vorzahlungsbürgschaft abgesichert. Bürgschaft und Vorauszahlungsrechnung werden gestellt. Doch die Zahlung, deren Sinn nur erfüllt ist, wenn sie auch zeitnah kommt, hängt, weil zunächst die Bürgschaft geprüft werden muss. Die Beträge, oft hohe Summen, bedürfen der Freigabe von „Ganz oben“. Das dauert. So kann ein kleines Unternehmen schnell mal in einen Liquiditätsengpass laufen. Der Sinn der Vorauszahlung verpufft.
Mangelhaftes Setup: Kleinigkeit oder Projektrisiko?
Es stellt sich die Frage, wie diese „Unzulänglichkeiten“ auf der Bauherrn-Seite zu bewerten sind. Unsere Erfahrung: Die Nachlässigkeiten bei den genannten Punkten werden eher als „Kavaliersdelikt“ und „Projekt unkritisch“ eingestuft. Das Auftrag gebende Unternehmen wähnt sich als Geldgeber oft in einer vermeintlich erhabenen Position. Die Dienstleister halten meist ebenfalls still. Man hat die Zusammenarbeit gerade erst begonnen und möchte diese nicht gleich wegen ausbleibender Zahlungen belasten. Insofern wird erstmal keine Kritik am Auftraggeber geübt.
Wir als Projektsteuerer sehen das grundlegend anders. Diese Themen stellen ein ernstzunehmendes Projektrisiko dar. Ausbleibende Beauftragungen oder verspätete Rechnungszahlungen können insbesondere bei leistungsschwächeren Vertragspartnern schnell eine Schieflage und damit ein erhebliches Projektrisiko hervorrufen.
Ein fehlendes oder unzureichendes organisatorisches Set-up bedeutet fehlende Festlegungen zu Entscheidungsträgern und Verantwortungszuweisung. Ausbleibende Entscheidungen generieren zum Teil nicht mehr aufholbare Projektrisiken.
Zusammenfassung
Eine Projektabwicklung sollte auf gegenseitigem Respekt, gegenseitiger Achtung und gegenseitiger Fairness beruhen. Anders gesagt, das sind die Grundpfeiler für einen Projekterfolg. Der Anspruch, der von Bauherrnseite an Planer und Ausführungsfirmen gestellt wird, sollte mit einem Anspruch an die eigene Leistung beginnen. Das ist wichtig und schafft Vertrauen. Oft ist es gar nicht der fehlende Anspruch, sondern schlichtweg der fehlende Überblick, was auf Bauherrnseite geleistet werden muss. Dann ist dringend fachliche Beratung geboten, damit aus kleinen Unzulässigkeiten nicht ein ausgewachsenes Projektrisiko erwächst.